Pflegschaftssache Felix Seidl
Kapitel 20 – Stellungnahme zur Gerichtsorganisation in Kärnten und die durch Auswahl und mangelnde Ausbildung von Zivilrichtern und deren Fluktuation resultierende Belastung der Erwachsenenschutzsachen.

Der Auslöser für das Geschehen findet sich nicht in der Rechtsprechung sondern im schlichten Verwaltungsverfahren der Richterbestellung durch den Personalsenat des Landesgerichts und die Geschäftsverteilung nach Ausrastungskriterien und dem Motto „Der Jurist kann Alles“. Uns Antragsteller treffen danach, je nach Gunst oder Ungunst der Zuteilung, die Folgen der einer Selbstverwaltung der Gerichte entspringenden Akte in Form beschwerlicher, langwieriger Verfahren. Meine Anrufe bei Fachanwälten der Liste "Erwachsenenvertreter" führten stereotyp zur ersten Frage "wo sind Sie denn" und nach meiner Auskunft zu einem Seufzer. Ist unser Malheur ein Einzelfall, ein Ausreißer oder Praxis in den österreichischen Familiengerichten? Dieser Frage wurde durch zwei Prüfungsanträge an die Justizombudsstelle nachgegangen, diese entscheidet in unserem Fall nicht einzuschreiten: quod erat demonstrandum.

Der Blogger Pascal H. schreibt dazu: „Wenn Sie glauben, ein Familienrichter oder der von Ihnen anvisierte gerichtliche Erwachsenenvertreter würden Ihrem Sohn helfen, dann sitzen Sie einer landläufigen Meinung auf. Diese Leute sind Juristen und auf Gebieten wie Gesundheits- und Daseinsvorsorge für beeinträchtige Menschen institutionell weder geschult noch geprüft und zugelassen. Familienrichter ist nicht gerade eine Karriereposition in der Justiz. Dem mangelnden Interesse versucht man Herr zu werden, indem man Richter aus dem Zivilsektor mit heranzieht, wie in Ihrem Fall, wo die zuständige Richterin bisher und weiterhin Beitreibungsverfahren leitet. Ihre Richterin wurde offenbar zur Familienrichterin durch die eilige Übertragung von Pflegschaftsverfahren und sie übernahm Ihre Agenda wie in einer Lotterie nach dem Anfangsbuchstaben Ihres Nachnamens. „Learning by doing“ ist dort angesagt und sie sind ein zufälliges Opfer.“
Zitat aus den Google-Bewertungen: "Eklatanter Personalmangel am Familiengericht. Exzellent besetzte Fachabteilungen aber Vorsicht, „Erwachsenenschutzsachen“ werden an diverse Zivilabteilungen ausgelagert. Wenn ihr Nachname mit "S" beginnt können Sie mit der Zivilprozessordnung ins Bett gehen".

In einem launigen Gespräch haben wir die Stellung eines Gerichtsvorstehers mit der EU-Präsidentschaft verglichen, er hat lebenslang bestalltes und autonom tätiges Personal und soll regieren. Kommt noch hinzu Personal und Ressourcen sind knapp.

Wenig beschriebene Wirkung der Korona-Erlässe in den letzten beiden Jahren war: Die Scheidungen nahmen zu, die Insolvenzen und Beitreibungen ab. Die Selbstverwaltung der Gerichte gestattet einem Personalsenat eine Rochade bei 15 RichterInnen um die Auslastung zu verteilen. Eine Mammutaufgabe gewiss, in meinem Unternehmen fiel selbst bei 1500 Mitarbeitern eine Umsetzung schwer. In Klagenfurt werden vergleichsweise häufig wechselnde Geschäftsverteilungspläne beschlossen. Zum Kriterium der Auslastung kommt nämlich hinzu: Das Familiengericht ist weiblich und bewegt sich auch mit der Karenz. Die zugrunde liegenden Verwaltungsakte haben oberflächlich gesehen mit der eigentlichen Rechtsprechung nichts zu tun.
Leider vollzieht man die Rochade ausgerechnet an der Gruppe der Demütigen und deren "Vertretungskaiser" schweigen aus Opportunität. Dabei ist gerade dieser Gruppe eine dauerhafte Betreuung durch empathische Richter zugedacht. Mir platzt nach 4 Jahren Kampf um den Austausch einer Ferienwohnung am Plattensee der Kragen, wir haben als Erwachsenenvertreter von Felix sieben Richterinnen kennen gelernt und seine Angelegenheiten wanderten vom fachzuständigen Familiengericht ausgerechnet in eine Beitreibungsabteilung des Bezirksgerichts mit entsprechendem Ergebnis.

Wenn das Alles so stimmt, was beim Personalsenat des Kärntner Landesgericht hoffentlich abgefragt werden darf, dann ist Entrüstung wohl angebracht und die Wiederholung berechtigt: Österreich werde nicht zulassen, was hier passiert.

Wir waren im September 2019 einer der ersten Fälle der neu bestellten Richterin Mag.a Theresia Fill, sie empfing uns noch in einem Dienstzimmer mit der Aufschrift "Beitreibungen" und ist bisher und weiterhin zuständig für Exekutionssachen, Insolvenzsachen und Exekutionsprozesse. Aus der folgenden Dokumenten ergibt sich die Funktion der für Felix aktuell zuständigen Richterin Mag.a Fill vor und nach der Personalrochade:


„Der Jurist kann Alles“ klingt so gefährlich wie „Der Mediziner kann Alles“. Am Familiengericht sollten Fachjuristen entscheiden. Das Berufsbild der Familienrichterin ist wohl das eines übergeordneten Sozialberufs, sie braucht neben dem RIS-Bildschirm Empathie, Lebenserfahrung und/oder die interdisziplinäre Aus- und Fortbildung die schon jedem Sozialarbeiter abverlangt wird. Der Präsident von "pro mente" Prof. Dr. Schöny schreibt dazu: "Damit das Erwachsenenschutz-Gesetz zur Anwendung kommen kann, sind umfassende Sensibilisierungsmaßnahmen sowie Bewusstseinsbildung für alle damit befassten Berufsgruppen unerlässlich". Den Familienrichterinnen obliegt es unmündigen oder beeinträchtigten Menschen in ihren sozialen Bedürfnissen beizustehen. Der Bedarf von Unmündigen, zumeist Scheidungskindern lässt sich vergleichsweise leicht standardisieren. Ihnen stehen in Klagenfurt vier ordentliche Familienrichterstellen und ein hauseigener psychologischer Dienst „Familiengerichtshilfe“ zur Verfügung. Für Scheidungskinder zeigt zusätzlich jemand auf: Mutter, Vater oder im Idealfall beide. Beeinträchtigte Kundschaft ist vergleichsweise demütig im Umgang. Verglichen mit den Scheidungskindern geht es bei beeinträchtigten Menschen um einen durch die Erkrankung, das Alter und die residuale Äußerungsfähigkeit individualisierten Bedarf, um typische Einzelfälle Das Obsorgebedürfnis ist zeitlich unbegrenzt, tiefergehend, im Fall von Hilflosigkeit total und eine Fehleinschätzung existenziell gefährlich. Bei Fehlen eines familiären Erwachsenenvertreters ist die Vorsorge auch noch institutionalisiert mit dort bekannten Risiken.

Die Interessen dieser Gruppe werden seit dem neuen Recht unter „Erwachsenenschutzsachen“ geführt, in Klagenfurt nur zu einem Viertel in einer Fachabteilung Krassnig betreut und sonst auf drei Zivilabteilungen aufgeteilt. Sie werden als Appendix zum jeweiligen Fachgebiet geführt und sind nur über die Kanzleileitung verbunden. Am Bezirksgericht herrscht Personalmangel. Die Zuteilung erfolgt schematisch über wechselnde Geschäftsverteilungspläne, verfasst von der Personalleitstelle bzw. dem Personalsenat am Landesgericht und offensichtlich bestimmt vom Kriterium der Auslastung. Unsere Richterin hat durch den nun 2-jährigen Beitreibungsaufschub in den Coronaverordnungen sichtbar freie Kapazität in ihrer Abteilung. Warum in aller Welt führt man die 4 Segmente nicht in einer fünften Fachabteilung unter kompetenter Leitung zusammen und vermeidet damit, dass nach Gunst oder Ungunst der Zuteilung unterschiedlich entschieden wird und die Klienten ständig wechselnden Richterinnen begegnen.

Es braucht immer einen Anlassfall. Gewalt gegen Frauen, da entsteht aktuell eine Baustelle der Richterausbildung, warum nicht zugunsten behinderter Menschen. Die Zuweisung einer Richterin ist ein überprüfbarer Verwaltungsakt eines Personalsenats im Rahmen der Selbstverwaltung der Gerichte. Einmal bestellt und zugewiesen, wird die Richterin sakrosankt am ersten Tag. Wir waren Opfer der ersten Stunde. Das neue Pflegschaftsrecht setzt notwendige, strenge Normen gegen den Missbrauch einer gewerblichen Erwachsenenvertretung. Der familiäre Erwachsenenvertreter verdient, auch in der Güterverwaltung einen Vertrauensbonus, als juristischer Laie wohlwollende Anleitung und seine Familie Schutz vor unnötig belastenden Eingriffen in intimste Gegenstände ihrer Lebensführung. Das Gericht muss erkennen, dass die klassischen mündelsicheren Anlagen ausgedient haben und die Internationalisierung neues Denken fordert. Ich habe allen Grund, der aktuellen Richterin zu schreiben: "Gnädige Frau welches Spiel spielen Sie, am Spieltisch gegenüber sitzt ein kranker Junge, oder glauben Sie, Sie müssten ihn vor Vater und Mutter schützen?"

Wir erkennen aus unserer bald 4-jährigen Beobachtung keinerlei sichtbare Veränderungen durch das neue Erwachsenenschutzgesetz sowie schwere Diskriminierung von beeinträchtigten Menschen in einer Zweiklassen-Justiz zugunsten der Scheidungskinder, die nicht nach unten sondern nach oben zu egalisieren wäre. Unter Zuständigkeit der Richterin Frau Mag. Eicher (Nr. 3) wurde in 2017 unser erster Genehmigungsantrag unterdrückt und Felix seine 9 Jahre gewohnte Freizeitumgebung abrupt entzogen. Deren Abteilung war ausschließlich als Zivilabteilung ausgewiesen. Die Zivilrichterinnen 3 und 6 haben den Brei verdorben, eine Familienrichterin MMag. Leitsberger (Nr. 5) hat ganz anders gekocht, es wurden ja zwischendurch auch Kauf und Verkauf einer Ferienwohnung genehmigt.

Aufgrund einer Neuauflage der Geschäftsverteilungsübersicht per 1.3.2021 bedarf diese Dokumentation leider einer Aktualisierung. Die letzte für beeinträchtigte Menschen tätige Fachabteilung "Familienrechtssachen" der Richterin Maga. Elisabeth Krassnig (Abteilung 4) hat nun auch die Agenda der Erwachsenenschutzsachen abgegeben. Auch diese sind nun der von uns bekämpften Richterin Maga. Theresia Fill zugeschlagen worden. Die gesamte Agenda des Erwachsenenschutzes liegt somit ausschliesslich bei Zivilrichtern. Durch die Coronaerlässe blieben in den zurückliegenden Jahren Beitreibungen und Insolvenzen aus, die Richterein erhält mehr und mehr "Erwachsenenschutzsachen" unter Auslastungskriterien zugesprochen.


Ich habe mich mit diesem Vortrag am 17.2.2021 an den Herrn Präsidenten der Anwaltskammer gewendet und um Unterstützung gebeten: "Ich beginne soeben eine Kampagne gegen „Inkompetenz und psychischen Terror am Familiengericht“. Vielleicht hat diese Kampagne Platz in Ihrer Verbandspolitik und auch aus Sicht Ihrer Mitglieder die notwendige „Reife“. Mit Rücksicht auf mein Lebensalter würde es mich freuen, die Last der Öffentlichkeitsarbeit nicht allein zu tragen." Anlässlich einer telefonischen Erinnerung sagt mir ein Emissär: "Sie sind ganz schön naiv, die Rechtsanwälte verdienen doch ihr Geld mit den Unzulänglichkeiten des Gerichts".
Die Behindertensprecherin der Grünen im Bundestag Frau Heike Grebien schreibt zu diesem Gegenstand am 6.5.2021: "Wir verstehen Ihren Ärger und Frust, den Sie und Ihre Familie durch das System Familiengericht haben, sehr gut. Auch wir sind der Meinung, dass hier besonders in der Erwachsenenvertretung erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Schulungen für Familienrichter*innen zur besseren Qualifizierung sind im Nationalen Aktionsplan Behinderung anvisiert. Wir sind da dran. Uns ist bewusst, dass Ihnen das in Ihrer aktuellen Situation, in der Sie möglichst schnell eine zufrieden stellende Lösung für Ihren Sohn erzielen möchten, wenig hilfreich ist".
In der Bundesrepublik ist das Thema längst hochgekocht. Es gab auf Initiative des Bayrischen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung im September 2019 eine Vorlage der Grünen an den Justizausschuss und im Mai 2020 deren Behandlung im Bundestag mit dem Ergebnis einer Ausbildungsverordnung für Familienrichter. Das Thema war in der Presse allgegenwärtig, es titeln Die Welt: "Wenn Familienrichter keine Ahnung haben." Der Tagesspiegel: "Familienrichter sollten verpflichtet werden, sich fortzubilden." Die Süddeutsche Zeitung: "Learning by doing auf heiklem Gebiet." Rbb 24: Richter als „Laien“.
In anderen Gerichten sind Familienrecht und Erwachsenenschutzsachen weiterhin in einer Hand. Hier die Geschäftsverteilungsübersicht aus Innsbruck: